von
Dr. Roland Mildner (Leipzig 1997)
In den Lehrbüchern für Fahrschüler werden zur Berechnung des
Reaktionsweges, des Bremsweges und damit des Anhalteweges Faustformeln
(Näherungsformeln) angegeben. Wir wollen hier kurz darlegen, wie man dazu kommt.
Um es vorweg zu sagen: Es handelt sich bei diesen Faustformeln eigentlich um exakte
physikalische Berechnungen, in denen aber der Zahlenwert 3,6 näherungsweise durch
den Zahlenwert 10 / 3 ≈ 3,33 ersetzt wird. Und bei der Berechnung des Bremsweges
wird eine konstante Bremsbeschleunigung (-verzögerung) von 4,5 m / s² angenommen.
Man kommt als Autofahrer oft in die Situation, dass man vor einem plötzlich
auftauchenden Hindernis anhalten muss. Die Wegstrecke, die man vom Zeitpunkt des Erblickens
des Hindernisses bis zum Stillstand des Fahrzeuges zurücklegt, heißt der
Anhalteweg. Dieser setzt sich zusammen aus dem Reaktionsweg (das ist die noch
ungebremst zurückgelegte Wegstrecke innerhalb der Reaktionszeit von etwa 1 Sekunde,
bis der Fuß auf das Bremspedal gesetzt ist) und dem Bremsweg (das ist der Weg
vom Bremsbeginn an bis zum Stillstand).
Es gilt also: Anhalteweg (AW) = Reaktionsweg (RW) + Bremsweg (BW) ,oder kurz:
. (1)
1. Näherungsweise Berechnung des Reaktionsweges RW:
Der Reaktionsweg RW ist der Weg, den das Fahrzeug bei konstanter Geschwindigkeit
v in der Zeit t = 1 s (angenommene maximale Reaktionszeit eines Fahrers)
zurücklegt:
Sei nun v T der Betrag der Fahrgeschwindigkeit (Tachowert),
also v = vT km / h, dann ergibt sich, wenn man 3,6 ≈ 10 / 3 setzt,
für den Reaktionsweg:
Die Faustformel für den Reaktionsweg, so wie in den Lehrbüchern für
Fahrschüler angegeben, lautet demnach also:
(2)
Beispiel 1: Für v = 50 km / h ergibt sich nach (2) folgender
(angenäherter) Reaktionsweg:
RW ≈ (50/10) · 3 m = 15 m.
(Der genauere Wert wäre RW = (50 / 3,6) m = 13,89 m.)
2. Näherungsweise Berechnung des Bremsweges BW:
Der Bremsweg BW ist derjenige Weg, den das Fahrzeug zurücklegt, wenn es von der
Geschwindigkeit v > 0 gleichmäßig auf die Geschwindigkeit
v = 0 (Stillstand) abgebremst wird (mit der Bremsverzögerung a).
Nach den Gesetzen der gleichmäßig beschleunigten (verzögerten) Bewegung
ergeben sich aus der Formel v - a · t = 0 für die Bremszeit
tB = v / a und für den Bremsweg:
Sei nun wieder vT der Betrag der Fahrgeschwindigkeit (Tachowert), also
v = vT km / h, dann ergibt sich nach dieser Formel, wenn man die konstante
Bremsverzögerung
a = 4,5 m / s² annimmt und wiederum 3,6 ≈ 10 / 3 setzt,
für den Bremsweg:
Die Faustformel für den Bremsweg, so wie in den Lehrbüchern für
Fahrschüler angegeben, lautet demnach also:
(3)
Beispiel 2: Für v = 50 km / h ergibt sich nach Formel (3) folgender
(angenäherter) Bremsweg: BW ≈ (50 / 10)2 m = 25 m.
(Der genauere Wert wäre: BW = (1 / 9) · (50 / 3,6)2 m = 21,43 m. )
Beispiel 3: Der (angenäherte) Anhalteweg beträgt bei einer
Geschwindigkeit von
v = 50 km / h (vgl. Beispiele 1 und 2):
AW = RW + BW ≈ 15 m + 25 m = 40 m.
Beispiel 4: Wir berechnen den (angenäherten) Anhalteweg bei einer
Geschwindigkeit von v = 100 km / h:
Der Reaktionsweg beträgt nach Formel (2): RW ≈ (100 / 10) · 3 m = 30 m.
Der Bremsweg beträgt nach Formel (3): BW ≈ (100 / 10)2 m = 100 m.
Der Anhalteweg beträgt folglich nach Formel (1): AW = 30 m + 100 m = 130 m.
Es empfiehlt sich, zur Übung den Anhalteweg auch einmal für andere Geschwindigkeiten,
z.B. für v = 80 km / h (AW ≈ 88 m) oder v = 130 km/h (AW ≈ 208 m), zu berechnen.
Abschließend sei bemerkt, dass die obigen Faustformeln allerdings nur gelten, wenn sich
das Fahrzeug auf ebener und trockener Fahrbahn befindet. Wie jeder erfahrene Autofahrer
natürlich weiß, verlängert sich der Bremsweg und damit der Anhalteweg auf
nasser und glatter Fahrbahn, beim Fahren im Gefälle sowie beim Fahren mit einem
ungebremsten Anhänger.
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